WIR HALTEN ZUSAMMEN!

Wie Gars am Kamp die Corona-Zeit meistert.

17. Juni 2020

Mit dem Lockdown zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus im März hat sich das Leben von einem Tag auf den anderen für alle dramatisch verändert. Die Meldung von zwei registrierten Krankheitsfällen in der Gemeinde verschärfte die Situation zusätzlich. Der Angst und den enormen Einschränkungen für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben begegnete man in der Großgemeinde Gars am Kamp mit Zusammenhalt und Solidarität.

DR. BIRGIT DOLLENSKY, ÄRZTIN FÜR ALLGEMEINMEDIZIN
„Was das Corona-Virus unter anderem so gefährlich macht, ist, dass viele erkrankte  Menschen wenig oder keine Symptome aufzeigen, trotzdem aber infektiös sind und so andere Personen anstecken können“, schildert die Garser Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Birgit Dollensky. Auch für sie und ihren Mann, dem Allgemeinmediziner Dr. Harald Dollensky, war in ihrer Praxis in der Waldzeile von heute auf morgen alles anders. Oberste Priorität: Das Team und die PatientInnen schützen! Mit entsprechender Kleidung, Plexiglasscheiben und telefonischer Anmeldung.

Birgit Dollensky: „Medizinisch und logistisch war das natürlich eine große Herausforderung, da die PatientInnen nicht wie gewohnt betreut werden konnten, aber niemand, vor allem auch Menschen mit chronischen Erkrankungen, unter der aktuellen Situation leiden sollen.“

„Ihr braucht das jetzt dringender“
Besonders bewegend war für Dr. Birgit Dollensky die schnelle und unkomplizierte Unterstützung seitens der Feuerwehr, der Gemeinde und vor allem auch der Garser Bevölkerung: „Viele stellten uns einfach Schutzausrüstung, selbstgenähte Masken und gebastelte Visiere vor die Tür mit den Worten ,Ihr braucht das jetzt dringender als wir‘. Das hat uns wirklich sehr berührt. Eine Krise ist leichter zu überstehen, wenn Menschen zusammenhalten, und Zusammenhalt ist in Gars wirklich spürbar.“

„Es ist noch nicht vorbei“
Doch auch die schwierige Anfangsphase konnte das Team um das Ärzteehepaar Birgit und Harald Dollensky gut meistern. Sie sind sicher, dass die Regelungen zur Eindämmung des Corona-Virus uns noch einige Zeit begleiten werden. „Es ist noch nicht vorbei und wir alle sollten uns weiter an die Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie halten: Abstand halten, Hände waschen, Schutzmasken tragen solange wie notwendig. Nur so kann eine zweite Welle verhindert werden.“
Foto: ©S. Ullreich/mediadesign.at

PAULINE UITZ, VIZEBÜRGERMEISTERIN
„Ich brauchte ein paar Tage, um zu realisieren, wie gefährlich die Situation ist.“ Selbst Vizebürgermeisterin Pauline Uitz, die ihr gesamtes Berufsleben lang in der Virologie des Krankenhauses Horn mit Krankheitserregern zu tun hatte, traf der Ausbruch der Pandemie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Weil sie zur Risikogruppe gehörte, verließ sie das Haus nicht, das sich allerdings schnell zur Organisationszentrale wandelte – per Telefon und Internet koordinierte die für Soziales zuständige Vizebürgermeisterin Hilfsmaßnahmen in ihrem Bereich.

70 Essen auf Rädern pro Tag
Als Leiterin der Aktion „Essen auf Rädern“ galt es, die Verteilung von 70 Speiselieferungen pro Tag zu gewährleisten. „Mein Telefon lief heiß, weil sich so viele Menschen aller Altersgruppen gemeldet haben, die helfen wollten. Wir hatten mehr Leute – Jugendliche, Vereinsmitglieder, Menschen, die in Kurzarbeit waren – zur Verfügung, als wir eigentlich gebraucht hätten.“
Auch ein Versorgungsservice wurde innerhalb von Stunden auf die Beine gestellt: „Täglich waren zwei bis drei Leute unterwegs, um Lebensmittel vom Kaufhaus Kiennast zu den Menschen zu bringen, oder z.B. SIM-Karten zu besorgen oder andere Wege zu erledigen. In der Anfangsphase haben sie auch Medikamente von der Apotheke abgeholt und geliefert.“ Auch Gemeindemitarbeiter-Innen packten – in ihrer Freizeit – mit an. Alles ging Hand in Hand – die Zubereitung von frischem Essen in größeren Mengen als sonst in der EUREST-Küche der Reha-Klinik, das Zusammenstellen der Lebensmittelbestellungen im Hause Kiennast, die Auslieferung durch Zivildiener, FF-Mitglieder und GemeindemitarbeiterInnen, ...
Foto: ©Reinhard Podolsky

Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft
Wenn sie zurückblickt auf die acht Wochen des Lockdowns, erinnert sich Pauline Uitz vor allem an eine Welle der „Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft“. So haben Mütter organisiert, dass die Kinder, die wegen der geschlossenen Schulen zu Hause sitzen, Bilder für die EmpfängerInnen von „Essen auf Rädern“ malten. Die Jungschar hat sich der Aktion bald angeschlossen. Pauline Uitz: „Wir haben die knapp 100  Bilder dann sicherheitshalber eingeschweißt und mit den Essensboxen geliefert – diese schöne Aktion hat viel Freude und Lichtblicke in das zu diesem Zeitpunkt isolierte Leben vor allem der Älteren gebracht.“

MAG. EVA LEODOLTER, APOTHEKERIN
„Wir mussten sehr schnell Schutzmaßnahmen für unsere KundInnen und uns aufbauen“, erinnert sich die Garser Apothekerin Mag. Eva Leodolter an den einschneidenden Beginn des Lockdowns. „Das ist auch gut gelungen.“

Disziplin und Ruhe
In Erinnerung wird ihr auch die Disziplin und Ruhe der KundInnen bleiben, „die sich ohne große Aufregung an die neue Situation angepasst haben.“ Rezepte wurden schließlich telefonisch vom jeweiligen Arzt zur Apotheke übermittelt und dort für die KundInnen zusammengestellt.

An RisikopatientInnen wurden die Medikamente bis vor die Haustüre geliefert. Mit dem bisherigen Mitarbeiterstand - wie ging das? „Naja, da mussten wir schon flexibel sein. Letztendlich sprang der Neffe, der keine Schule hatte, und der Schwager im Homeoffice ein, um Medikamente an Menschen zu liefern, die nicht außer Haus konnten.“

„Bin froh, Euch wiederzusehen“
Berührt haben sie jene Momente, in denen KundInnen nach den ersten Lockerungen wieder persönlich die Apotheke betreten hatten. „Wenn dann jemand sagt: ‘Ich bin so froh, Euch wiederzusehen ...‘, dann weiß man, wie sehr manche unter der Isolation gelitten haben.“

Mag. Eva Leodolter betont den Zusammenhalt im Apotheken-Team: „Es gab keine Krankenstände, alle waren voller Elan, Empathie und Freundlichkeit - ohne Rücksicht auf durchaus berechtigte eigene Ängste und Befindlichkeiten. Das ist sehr lobenswert!“
Foto: ©zvg.

MAG. JOSEF ZEMLICZKA, PFARRER
„Das Osterfest in der Kirche nur zu fünft mit Diakon, Messdiener, Pastoralassistentin und -assistent zu begehen – also ohne die große Gemeinschaft zu feiern, war ein eigenartiges Erleben“, erinnert sich Pfarrer Mag. Josef Zemliczka an einen seiner persönlichen Tiefpunkte in der Lockdown-Zeit. Erfreulicherweise haben viele Familien das Angebot der „Hausmessen“ angenommen – so wurden im Internet Anleitungen und Anregungen für die Abhaltung von Messfeiern im privaten Kreis angeboten.

Auch das „Ratschen in Patschen“ habe gut funktioniert und einen gewissen Halt in diesen Zeiten gegeben. Bei dieser Aktion hatte die Pfarre die Ratschenkinder eingeladen, zu den ortsüblichen Zeiten ihre Ratschen fünf Minuten lang zum Erklingen zu bringen – von zu Hause aus. Die Ratschenkinder stellten sich zu den üblichen Zeiten zum Fenster, auf den Balkon oder in den Garten und ratschten. So habe man versucht, die Gemeinschaft auf einer anderen Ebene zu erhalten.

Beten und Bücher
Er selbst habe die Lockdown-Zeit genutzt, um in einer neuen Ruhe zu beten und Bücher zu lesen, zu denen er sonst nicht gekommen ist. Abgegangen sind Pfarrer Zemliczka die monatlichen Krankenbesuche bei Pfarrmitgliedern, die auch sonst das Haus nicht verlassen können. „Ich habe mit Menschen telefoniert, die alleine zu Hause sitzen. Hier konnte man stark spüren, wie sehr viele ältere Menschen unter der Einsamkeit leiden.“
Foto: ©Reinhard Podolsky

MAG. JULIUS KIENNAST, HANDELSHAUS KIENNAST
„Die Versorgung war immer in jeder Phase gesichert.“ Der Krisenstab im Handelshaus Kiennast war schon Tage vor dem Lockdown im Dauereinsatz. Mag. Julius Kiennast, der gemeinsam mit Mag. (FH) Alexander Kiennast an der Spitze des Garser Traditionsunternehmen mit mehr als 300 MitarbeiterInnen steht: „Schon in der Woche zuvor haben wir im Lager die Bestände bei einigen Kernartikeln erhöht. Damit waren wir für den Ansturm der KundInnen im Supermarkt in den ersten Tagen gut gerüstet, obwohl uns die Intensität der Hamsterkäufe doch überrascht hat. Dank unseres Lagers konnten wir allerdings schnell für Nachschub sorgen, wenn Waren ausgegangen sind.“  

„Wir werden die Krise gut meistern“
Während die Gastronomieumsätze im Großhandel sehr schnell wegbrachen, sind andere Bereiche wie Nah&Frisch, Krankenhäuser, Justizanstalten und Pensionistenheime im Plus. „Hier hat sich unsere Vielseitigkeit bewährt. Wir sind optimistisch, diese Krise gut zu meistern“, blickt Mag. Julius Kiennast zuversichtlich in die Zeit nach Corona.

Keine Kündigungen
In Bereichen, wo die Umsätze ausgefallen sind, wurde im ältesten Handelshaus Österreichs auf das Kurzarbeitsmodell zurückgegriffen. „Als sozial agierendes Familienunternehmen war für uns von Anfang an klar, dass wir niemand kündigen wollen – und das ist gelungen.“ Während manche Supermarktketten ihr Sortiment erweiterten und Waren anboten, die sonst bei kleineren, Corona-bedingt geschlossenen Läden zu haben gewesen wären, wählte man bei Kiennast den Weg der Kooperation: So konnte man im Supermarkt zum Frühlingsbeginn Pflanzen der nur wenige Meter entfernten geschlossenen Gärtnerei Dick kaufen.  
Schnell reagierte das Supermarkt-Team auch auf das rasant gestiegene Bedürfnis nach Hauszustellungen. Täglich wurden rund ein Dutzend Bestellungen telefonisch im Supermarkt entgegengenommen, die Lebensmittelkörbe gepackt und dann von MitarbeiterInnen der Gemeinde abgeholt und bis vor die Haustüre geliefert. Julius Kiennast: „Die Kooperation mit der Gemeinde Gars hat sehr gut funktioniert.“

„MitarbeiterInnen leisten Enormes“
Beeindruckt zeigt sich Mag. Julius Kiennast vom hohen Engagement seiner MitstreiterInnen: „Unsere vielen Nah&Frisch-Kaufleute und unsere MitarbeiterInnen leisten Enormes – es wird an allen Ecken und Enden angepackt, von der Abteilungsspitze über die VerkäuferInnen bis zum Lehrling. Mit so einem Team durch diese schwierigen Zeiten zu steuern, ist ein gutes Gefühl.“
Foto: ©Reinhard Podolsky

ALEX HÖCHTL, WIRTESPRECHER
„Die Stammgäste kommen wieder.“ Seit Mitte Mai dürfen die Garser Gasthäuser (mit Ausnahme der Nachtlokale) wieder öffnen. Wie einige andere auch hat Wirtesprecher Alex Höchtl während der Schließung Essen zum Abholen bereit gestellt. „Das wurde vor allem von den Stammgästen gut angekommen. Doch jetzt genießen es wir es schon sehr, die Gäste wieder im Gasthaus selbst bewirten zu dürfen.“
Wie alle seine Wirtekollegen in Gars kämpft auch Alex Höchtl mit den Auflagen: Die Tische auf einen Babyelefantengröße auseinanderzurücken, war kein Problem. „Man muss nur als Wirt darauf achten, dass die Gäste mit dem Bedürfnis nach Gemeinsamkeit die Tische nicht wieder zusammenschieben.“ Deshalb freue er sich auch auf die nächste Lockerungswelle, die die Limitierung pro Tisch auf maximal vier Personen aufhebt.

„Mit solchen Gästen ...“
Berührt habe ihn die Treue seiner Gäste, betont Höchtl. „Manche sind sogar aus Wien herausgekommen, um uns zu unterstützen. Und viele Stammgäste aus Gars und Umgebung haben uns ebenfalls die Treue gehalten. Mit solchen Gästen werden wir die Krise überstehen.“
Foto: ©S. Ullreich/mediadesign.at